Die ersten Automobilrennen 1894 - 1914  –  Walter Gotschke Rennwagen - Motorsport

Prolog

Der Weg zum Automobil 1600 - 1894

Schon im Altertum
hat die Beschäftigung mit der Mechanik die Vorstellung erweckt, dass man doch imstande sein müsste, die Kraft selbstmechanisch zu gewinnen. Immer wieder beschäftigte sich die Menschheit seit den Zeiten des Aristoteles und des Archimedes mit der Frage, wie physikalische, vor allem mechanische Anordnungen geschaffen werden könnten, die »von selbst« Kraft und Bewegung liefern und damit die Befreiung von manueller Arbeit.

Doch immer blieb die Muskelkraft – sei es vom Menschen, sei es vom Tier – unentbehrlich, die Apparate und Maschinen gingen nicht »von selbst«. Erst

die intensive Beschäftigung mit der Astronomie
in der frühen Neuzeit und der damit verbundenen revolutionären Erkenntnis des heliozentrischen Weltbildes des Sonnensystems von Nikolaus Kopernikus (1473 - 1543) sollte die Menschheit nach und nach dahin führen. Wegweisend war

Otto von Guericke (1602 - 1686),
der die Geheimnisse des Weltraumes zu ergründen suchte und darum beabsichtigte einen luftleeren Raum herzustellen. Er ersann eine Luftpumpe mit dem Zweck, Luft aus einem geschlossenen Behälter saugen zu können. Diese Luftpumpe wies eine große Zahl der Elemente auf, die heute noch die Grundlage jeden Motors ausmachen:

Zylinder, Kolben, Kolbenstange, Dichtungen, Ventile.
Bei Guerickes Versuchen ereigneten sich überraschende Dinge. Eine von Luft mehr oder weniger leer gepumpte Hohlkugel aus Kupferblech sank unter dem Druck der Luft von außen plötzlich knitternd in sich zusammen. Es hatte sich Guericke überraschend eine ungeheure, bisher unbekannte Kraft offenbart:

Der Druck der Atmosphäre.
Plötzlich erschien der Luftozean wie ein Spender unerschöpflicher Kraft. Und gleich erwachte wieder der Traum der Menschheit von Maschinen mit deren Hilfe Webstühle, Drehbänke, Pumpen, Schiffe und alles, was bewegt werden sollte, automatisch zu bewegen.

Inzwischen war das Schießpulver erfunden,
das aber vorerst nur dazu diente, zu verwunden, zu töten, zu sprengen, bersten zu lassen und zu zertrümmern. Dem in Paris lebenden niederländischen Astronomen, Mathematiker und Physiker

Christian Huygens (1629 - 1695)
kam nun die Idee, die Luftpumpe des Herrn Guericke durch die Explosion des Schießpulvers in Bewegung zu versetzen. Wieder bekam der alte Traum der Menschheit neue Nahrung: Mit Wirkung des Pulvers könnte man gewaltige Steine für Bauwerke in die Höhe bringen, um Obelisken aufzurichten, um Wasser für die Springbrunnen aufsteigen zu lassen, um Mühlen zum Getreidemahlen anzutreiben – – –

Nun war das Schießpulver aber sehr gefährlich, und um diesen Gefahren auszuweichen, kam Guerickes Assistent, der Hugenotte

Denis Papin (1647 - 1712)
auf den genialen Gedanken, das Vakuum anstatt mit Hilfe von Schießpulver mit Wasserdampf, der sich im Zylinder zu Wasser kondensierte, zu befüllen. Seine Maschine hob in der Tat mittels einer am Kolben befestigten »Kolbenstange« Gewichte – aber es war noch äußerst zeitraubend und umständlich bis mit dieser primitiven

ersten »atmosphärischen« Dampfmaschine
nur ein Arbeitshub eingeleitet und durchgeführt werden konnte. Noch kam er nicht auf die Idee, den Dampf außerhalb des Zylinders in einem permanent geheizten Kessel zu erzeugen. Doch wieder kamen visionäre Vorstellungen auf von den Möglichkeiten einer Maschine, mit deren Hilfe man gegen den Wind rudern oder das Wasser aus den Bergwerken, die zu ersaufen drohten, entfernen zu können.

Im Laufe der Jahrhunderte waren die Bergleute in den Bergwerken immer tiefer in die Erde vorgedrungen. Je tiefer sie gelangten, auf um so größere Wassermassen stießen sie, die fortgeschafft werden mussten, sollte der Bergbau nicht zum Erliegen kommen. Das bewerkstelligte man mit Pumpen und Schöpfwerken, die durch Wasserräder, Tretwerke oder Göpel angetrieben wurden, in denen sich Menschen oder Pferde bewegten. Je tiefer der Bergmann hinunter drang, um so gewaltigere Wassermassen hinderten ihn beim Abbau, obwohl Tausende von Pferden in den Gruben tagaus – tagein die Göpel drehten, welche die Wasserpumpen betätigten – daher ist heute

die »Pferdekraft«
das Kraftmaß für unsere Motoren. Es wurde auch immer kostspieliger. Man war gezwungen, immer mehr haferfressende Pferde einzustellen, und doch wurde die Arbeit der Bergleute immer schwieriger und gefährlicher.  Am Höhepunkt der Wassernot der Bergwerke, die tatsächlich die wirtschaftlichen Grundlagen ganz Englands gefährdeten, wurde der Gedanke, die Kraft der Pferde durch Maschinenkraft zu ersetzen, immer allgemeiner. Da trat der Grobschmied

Thomas Newcomen (1663 - 1729)
an die Öffentlichkeit. Er hatte die Lösung in einer Kolbenmaschine gesucht. Den Dampf erzeugte er nicht mehr im Zylinder selbst, sondern in einem Dampfkessel, den er mit einer Kolbenmaschine verband. Endlich hatte man eine Maschine mit ununterbrochener Auf- und Abwärtsbewegung, mit 10 bis 12, später mit 16, ja sogar mit 20 Hub in der Minute. In den ersten Jahren mussten die Dampf- und Wasserhähne noch von Hand betätigt werden, aber bald entstanden Maschinen, die sich selbst steuerten. Jetzt hatte man einen

Wärmemotor, der regelmäßig, ununterbrochen und automatisch arbeitete,
der schon die wesentlichen Elemente des modernen Motors enthielt: Zylinder, Kolben Kolbenstange, Ventile und automatische Steuerung, die mit Luftdruck arbeitete, der auf den Kolben wirkte. Mitte des 18. Jahrhunderts pumpten allein im Kohlengebiet von Newcastle 57 Newcomen Maschinen mit zusammen 1200 Pferdestärken unentwegt das Wasser aus den Schächten.

Doch da man beim Abbau der Kohle weiterhin immer tiefer drang, wiederholte sich die gleiche Situation wie 50 Jahre früher mit den von Pferden getriebenen Pumpen: die nun Kohle fressenden Pumpen verschlangen einen zu großen Teil der Kohleförderung für ihren Betrieb. Wieder drohte der Kohlebergbau zu erliegen, und damit geriet wieder die ganze Grundlage des industrialisierten Englands ins Wanken. Der Universitätsmechaniker

James Watt (1736 - 1819)
in Glascow beschäftigte sich schon mit der Idee, die Dampfkraft zum Fortbewegen von Wagen zu nutzen, doch er fürchtete Kesselexplosionen. Auch besaß man noch nicht die Mittel, die Verbindungstellen der Maschine dicht zu halten. Seine Idee ging dahin, die Erzeugung des Druckes nicht mehr einem Kessel sondern Kolben und Zylinder anzuvertrauen, womit das arbeitende Medium nicht mehr Wasserdampf war, sondern Gas, also Luft.

Durch die wirtschaftlichen Nöte seines Landes wurde Watt darauf hingewiesen, Englands Kohlen-bergwerke und auch die Eisenwerke bedürften einer brauchberen und leistungsfähigen Kraftmaschine. Da Newcomens Maschine zuviel Kohle verschwendete, ging der sparsame Schotte vor allem der Frage der Ökonomie, des Nutzeffektes der Dampfmaschine, nach. Am Ende gelang Watt eine

Niederdruck-Kondensations-Dampfmaschine,
die einen – wenn auch niedrigen – Überdruck des Dampfes zur Bewegung eines Kolbens verwendete, und bald gelang es ihm auch, die auf- und abgehende Bewegung in eine Drehbewegung zu verwandeln, er ließ die Stange ein Schwungrad drehen. Die Drehbewegung übertrug sich auf Hammerwerke, Fördermaschinen, Spinnereien, Webereien, Brauereien, Walzwerke, Mühlen – und schließlich auf Schiffe, Lokomotiven, Lokomobilen und – Automobile. Damit begann

die Industrielle Revolution.
Die durch die Dampfmaschine ausgelöste Veränderung der Wirtschaft, der Gesellschaft, des Verkehrs war so gewaltig, der Zusammenprall des Neuen mit dem Alten war so heftig, sodass große Kämpfe, Unruhen und schwere Leiden bis in unsere Tage hinein die Folge sind.

Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts kündigte sich – ganz unabhängig von der wirtschaftlichen Lage Englands – in Frankreich eine politische und soziale Revolution an, die die geistigen Grundlagen eines fundamentalen Wandels in der Sozialgeschichte Europas legte und an der bisherigen Ständeordnung rüttelte.

Es vollzog sich etwas Eigenartiges: von den drei sich im Mittelalter gebildeten Ständen – Adel/Geislichkeit – Bürgertum – Handwerker-/Bauernstand – waren es Männer des untersten, die sich der Dampfmaschine bemächtigten. Forschung, Handel und Maschinenwesen wurden vorwärtsgetrieben, die Arbeit der kleinen Werkstätten und Handwerksstuben verlagerte sich mehr und mehr in die von Dampfmaschinen angetriebenen Farbriken – Männer des dritten Standes kamen zu Kapital, wurden

»Kapitalisten«.
Neben ihnen wuchs in beängstigendem Maße ein vierter Stand heran: der des elenden lohnarbeitenden Proletariats. Die gesellschaftliche Umschichtung Europas begann, die nicht immer friedlich ablief. Monarchen, Adel, Geistlichkeit schauten voll Misstrauen auf die Entfaltung des 3. Standes, der mit seinen Ideen der Tradition davonlief, und noch misstrauischer auf den unheimlichen 4. Stand, der seine Fäuste ballte. Nach allen Seiten wucherte Hass – frühe revolutionäre Wolken stiegen über Europa auf.

Das hielt die Entwicklung der Dampfmaschine nicht auf. Sie wurde besser und besser. Um die Wende zum 19. Jahrhunderts entstanden das erste Dampfschiff und die erste brauchbare, starke Dampflokomotive.

1838 mit der ersten Überquerung des Atlantiks durch ein Dampfschiff
begann wiederum eine neue Epoche. Zunehmend wurden Segelschiffe durch Dampfschiffe abgelöst. Während eine Überseefahrt mit dem Segelschiff zwischen 46 und 70 Tage dauerte, konnte man jetzt in etwa 8 Tagen das überseeische Festland erreichen.

In der Zeit sozialer und revolutionärer Unruhen wanderten verstärkt viele der amen und elenden Europäer nach Amerika aus. Unbeschwert von engen historischen Formen und Traditionen entwickelte sich in dem großen Land jenseits des Atlantischen Ozeans eine ganz neuartige freiheitlich-demokratische Diziplin, die von Pionieren, die mit Pflug, Werkzeug und Gerät in ein riesiges unbekanntes Land vordrangen, in dem sie jetzt nicht mehr unter der Leitung von vornehmen Herren standen, sondern selbstdenkend und selbstbestimmend schalten konnten.

Doch die Erschließung des weiten Landes wäre ohne die industrielle Revolution und den rasanten technischen Fortschritt, insbesondere mit der Entwicklung des Eisenbahnnetzes, nicht möglich gewesen. Für die amerikanischen Siedler eröffnete zum Beispiel die Fertigstellung der Pacific Railroad im Jahre 1869 die Möglichkeit, in nunmehr nur sieben Tagen und für 65 Dollar über den ganzen Kontinent zu reisen. Bereits 1860 umfasste das nationale Eisenbahnnetz mehr als 48.000 Kilometer und war damit etwa so lang wie alle im Rest der Welt verlegten Schienenstränge zusammen. Inzwischen hatte

die Gaserzeugung aus Kohle
große Fortschritte gemacht – seit Anfang des 19. Jahrhunderts wurde brennbares Gas in England zur Straßenbeleuchtung, zu Heiz- und Kochzwecken verwendet. In zahlreichen Städten waren Gasanstalten entstanden. Gas wurde Technikern und Bastlern zugänglich, der Gedanke des Explosionsmotors neu belebt. Den ersten großen Erfolg hatte Mitte des 19. Jahrhunderts der Pariser Mechaniker

Etienne Lenoir (1822 - 1900)
mit seiner Gasmaschine. Anstelle des Dampfes verwendete er ein explosives Gas-Luftgemisch, das im richtigen Moment entzündet wurde. Schon liefen in Paris 130 Lenoir-Maschinen mit zusammen 253 PS. Immerhin handelte es sich um

den ersten brauchbaren Verbrennungsmotor der Welt.
Bei Lenoirs Gasmaschine treffen wir einen deutschen Besucher, dem wir später noch öfters begegnen werden: den Ingenieur

Gottlieb Daimler (1834 - 1900)
aus Schorndorf bei Stuttgart. Klar erkannte er, dass Lenoirs Gasmaschine nichts Neues darstellte, außerdem unwirtschaftlicher war als die Dampfmaschine.

Etwa um diese Zeit, 1868, wurde in Borislaw südlich von Lemberg in Gallizien, das damals eines der Kronländer der österreichischen k.u.k. Monarchie war,

die erste Petroleumraffinerie der Welt
gebaut, in der zum ersten Mal fabrikmäßig Erdöl destilliert und Petroleum gewonnen wurde.

20 Jahre zuvor hatte ein Bauer auf einem seiner Grundstücke eine ölige, schwarz-grüne, dickliche Flüssigkeit, die übel roch, entdeckt. In einer Apotheke in Lemberg, wo er sich Rat suchte, erkannten es die Gehilfen Lukasiewicz und Zeh als Rohöl. Nachdem die Apotheke eine Zeit lang das Rohöl als ausgezeichnetes Mittel gegen Rheumatismus angepriesen hatte, begann um 1850 einer der beiden, der Chemiker

Ignacy Lukasiewicz (1822 - 1882),
es zu destillieren. Das sorgfältig gereinigte Destillat nannte er »Oleum petrae« (Steinöl). Lukasietz hatte die Idee, Lampen anstatt mt Rüböl (= Rapsöl = »Oleum Raparum«) mit dem neu gewonnenen »Petroleum« zu speisen. Er konstruierte eine passende Lampe und erfand dabei auch den Lampenzylinder  – 

die Petroleum-Lampe eroberte die Welt.
Bei der Destillation fiel auch eine wasserhelle, leicht brennbare Flüssigkeit an, deren Dämpfe hoch explosibel waren. Dieser Stoff  bildete eine dauernde Verlegenheit, seine Feuergefährlichkeit machte ihn geradezu unsympatisch. Man ließ ihn in großen flachen Behältern im Freien verdunsten oder man verbrannte ihn und man war froh, wenn man ihn los war. Ein bisschen davon nahmen die Apotheker ab und verkauften ihn unter dem Namen »Ligroin« als Fleckwasser  –  es war

reinstes leichtestes Benzin.
Als zweites Produkt erschien ein schwerer Stoff von weingelber Farbe  –  das Petroleum. Es diente zur Beleuchtung. Als drittes Produkt wurde eine dunkle, schmierige und dickflüssige Substanz erzeugt  –  die Grundlage für Schmierstoffe und Paraffin.

Während bis 1870 noch die mit Dampf angetriebenen Fahrzeuge dominierten, hatte schon jetzt ein genialer deutscher Chemiker und Tüftler,

Siegfried Markus (1831 - 1898),
der sich 1852 in Wien niedergelassen hatte und ab 1856 ein »Atelier für mechanische und physikalische Instrumente und Apparate« unterhielt, als Erster gemerkt, dass das flüssige Benzin leicht zu vergasen war und dieses Gas sich genau so gut zum Betrieb eines Gasmotors eignete wie Leuchtgas. Er wurde zu dem »Mann, der das billige Gas herstellt«. Und als Erster hatte er auch mit einem nach dem Prinzip der atmosphärischen Maschine arbeitenden Benzinmotor, den er auf einen etwas größeren Handwagen montierte, selbstfahrende Versuche unternommen  –  die flugs von der »Obrikeit« verboten wurden und ihm wegen nächtlicher Ruhestörung eine Nacht in einer Arrestzelle einbrachte.

Neben der Herstellung von Geräten für das graphische Gewerbe, elektrischen Beleuchtungskörpern, Gas-, Alkohol-, Benzinlampen, der Neu- und Weiterentwicklung von Einrichtungen für telegraphische Zwecke  –  er hielt zu Lebzeiten 131 Patente  –  bestritt Markus mit dem Verkauf seiner Zünder seinen Lebensunterhalt. 1864 wurde der »Wiener Zünder« patentiert, der erste magnet-elektrischen Zünder für Unterseeminen; 1870 ein elektrischer Zünder für Explosionsmotoren, 1883 erhielt er ein Patent für seine Elektromagnetische Abreißzündung für Explosionsmotoren.

Wahrscheinlich handelte es sich um einen Markus-Zündapparat, einen »elektromagnetischen Induktor mit einem automatischen Zünder«, um dessen Nachbau für einen stationären Gasmotor

Robert Bosch (1861 - 1942)
kurz nachdem er sich 1886 in Stuttgart mit seiner »Werkstätte für Feinmechanik und Elektronik« selbständig gemacht hatte, von einem kleinen Maschinenbauer gebeten wurde. Ähnlich wie Markus fing auch er mit dem Service für allerhand Alltagsprodukte  –  Telephone, Haustelegrafen, elektrische Apparate etc  –  an. Doch er fabrizierte mehr für Erfinder als dass er Eigenes erfand. Das sich ausbreitende Elektrizitätswesen hielt sein Geschäft mit Ach und Krach am Leben.

Durch den Zünder kam dann Bosch später zwangsläufig mit dem beweglichen Verbrennungsmotor in Berührung. Jetzt schuf er zuerst einmal den betriebssicheren Magnetzünder für ortsfeste Motoren. Währendessen hatte ein weiterer Deutscher, der Handlungsreisende

Nikolaus Otto (1832 - 1891),
ein Hobbybastler, der mit allerlei mechanischen Dingen herumexperimentierte, Lenoirs Idee aufgenommen. Beim Herumspielen mit so einem Motor entdeckte er, dass der Kolben meist den Hub nicht vollendete, sondern vorher umkehrte, wenn er vor einem Viertel des Hubes zündete. Aus einer spielerischen Laune heraus drückte er den Kolben durch Rückwärtsdrehung des Schwungrades zurück. Das im Zy.inder eingeschlossene Gas-Luft-Gemisch wurde zusammengedrückt, verdichtet. Kurz vor Erreichen des Totpunktes ließ er den Zündfunken überspringen und – pfuttbums – explodierte das verdichtete Gemisch. Otto war verblüfft.

Tatsächlich stellen diese ersten Umdrehungen eines mit Vorverdichtung des Gasgemisches arbeitenden Motors von 1863 die eigentliche Geburt des Otto-Motors dar, der nicht nur die Welt erobern sondern in einem Jahrhundert die Welt ganz und gar umgestalten sollte: Millionen von Otto-Motoren werden in Automobilen arbeiten, mit ihm wird der uralte Traum der Menschheit, das Fliegen, verwirklicht werden. Noch hatte die Maschine einen – klitzekleinen – Geburtsfehler, den auszumerzen Nikolaus Otto erst 15 Jahre später gelingen sollte.

Otto gab seinen Beruf als Handlungsreisender auf und widmete sich ganz der Entwicklung seiner neuen Maschine und schaffte es – mit Hilfe des begüterten Ingenieurs Eugen Langen – einen einigermaßen betriebssicheren atmosphärischen Gasmotor herzustellen und ihn

1867 auf der Pariser Weltausstellung
vorzuführen. Noch war die Maschine unausgereift und in ihrer Funktion für manchen Messebesucher beängstigend – aber die Jury erkannte nach sorgfältigsten Untersuchungen, dass der atmosphärische Otto-Motor der im Gasverbrauch wirtschaftlichste aller ausgestellen Motoren war – und so wurde ihm die Goldene Medaille zuerkannt und er damit zur besten Maschine der Welt erklärt. Nun »hagelte« es Bestellungen. Otto und Langen gründeten

1872 die »Gasmotoren-Fabrik Deutz AG« – die erste Motoren-Fabrik der Welt,
Inzwischen war der atmosphärische Motor betriebsreif und es kam nunmehr auf eine wirtschaftliche Fabrikation der Maschine an. Von der »Maschinenbau-Gesellschaft Karlsruhe« wurde Langen ihr Direktor

Gottlieb Daimler (1834 - 1900)
empfohlen und mit ihm kam sein Freund und Landsmann

Wilhelm Maybach (1846 - 1929)
als Leiter des Konstruktionsbüros zu Deutz.. Die Geschäfte liefen und bald entstand – dank Maybach – außer dem 2 PS- auch ein 3 PS-Motor. Beständig stieg die jährliche Produktion, mit rund 250 Arbeitern war die Gasmotorenfabrik Deutz 1875 ein stattliches Unternehmen. Das Kapital warf eine gute Dividende ab, die Tantiemen flossen reichlich.

Bald aber stellte sich heraus, Otto und Daimler konnten sich nicht »riechen«, der studierte Daimler sah den Amateur Otto nicht für voll an. So gingen sie bei ihren folgenden Versuchen völlig verschiedene Wege.

Daimler und Maybach entwickelten die atmosphärische Maschine weiter der Richtung zur Benzin-Maschine. Gas stand nur in den Städten zur Verfügung und es lag nahe, mit dem Übergang auf leicht transportierbare flüssige Kraftstoffe die Anwendungsmöglichkeiten zu erweitern. Daimler schwebte die Verwendung von Benzin, das bislang unverwertbare Nebenprodukt des Petroleums, vor. Aber – wie konnte man dem Motor das flüssige Benzin in einfacher Weise zuführen?

Da tat ausgerechnet der technische Laie Otto den entscheidenden Schritt – seine misslungene Idee von 1860 aufgreifend schuf er 1876 den ersten brauchbaren direkt wirkenden Viertakt-Motor mit Vorverdichtung des Brennstoff-Luftgemisches, unseren heutigen

Otto-Motor.
Auf der Antwerpener Weltausstellung 1885 stellte Deutz


den ersten Verbrennungsmotor für flüssigen Kraftstoff mit elektrischer Zündung
aus. Der Benzinmotor war nicht mehr wie die Dampfmaschine an Kessel, Schornstein und Schienen gebunden oder wie der Gasmotor auf Leitungen angewiesen, sondern einsetzbar an jedem Ort und mit einem Handgriff ein- und auszuschalten. Er war die Krönung des Schaffens von Nikolaus Otto. Das erste weitgesteckte Ziel war erreicht – die zweite Aufgabe, das mit Benzin angetriebene Automobil musste Otto anderen überlassen.

Dass es dann in einer sich überstürzenden Weise dazu kam, hat die Welt einer irrigen Formulierung in der Patentschrift zu verdanken. In langwierigen Prozessen wurde Otto sein Patent, das Deutz die Monopolstellung im Motorenbau garantiert hätte, aberkannt – für ihn und seine Firma ein herber Schlag – für die nun sprunghaft einsetzende Entwicklung der Motorentechnik ein Segen. Unabhängig von einander gelang es zwei Automobilpionieren, den Otto-Motor zum Kraftwagen-Motor weiter zu entwickeln:

Daimler und Benz.
Von dem inzwischen selbständigen Daimler–Maybach-Duo rollte mit 18 Stundenkilometern

1886 die erste 1,1 PS Daimler-Motorkutsche
in der Nähe von Stuttgart durch Cannstatts Straßen Sehr zum Schrecken der Cannstatter Bürger. Und obwohl Daimler es immer zu bemänteln versuchte, sie wussten, dass er seinen Motor mit dem gefährlichen, hochexplosiven Benzin betrieb. Auf den Probefahrten wurden Daimlers Söhne und Maybach beschimpft, mit Steinen und Eiern beworfen und bedroht.

Da ging es im 140 Kilometer entfernten Mannheim Berta Benz nicht viel besser, als sie mit ihren zwei Buben auf einem im Ort viel belächelten und verspotteten Dreirad mit der Bezeichnung

2,5 PS-Benz-Patent-Motorwagen 1888
zur ersten Fernfahrt der Welt aufbrach, »die Mutter besuchen«,. Über 180 Kilometer von Mannheim nach Pforzheim und zurück, um dem Produkt ihres Mannes zu Popularität zu verhelfen. Der Ingenieur

Carl Benz (1844 - 1929),
Sohn eines Lokomotivführers aus Karlsruhe, hatte – nach vielen wechselvollen Arbeitsjahren – mit der finanziellen Unterstützung von Geschäftsleuten 1883 in Mannheim die Firma »Benz & Cie. Rheinische Gasmotoren-Fabrik« gegründet, in der stationäre Zweitakt-Gasmotoren, für die er mehrere grundlegende Patente hielt, hergestellt wurden. 1886 erhielt Carl Benz durch das kaiserliche Patentamt das Patent auf das neue, dreirädrige Ligroingas-Veloziped,

den ersten brauchbaren mit Benzin angetriebenen Motorwagen..
Jedoch waren Augenzeugen der Probefahrten dieses »Stinkkastens« wenig überzeugt. «Schade um den Mann, er wird sich und sein Geschäft mit dieser verrückten Idee ruinieren«.

Im gleichen Jahr als Berta Benz aufbrach, 1888, machte im entfernten Irland zu Beginn des Jahres im Schutze der Dunkelheit der kleine Johnny auf einem Kinder-Dreirad seine erste heimliche Probefahrt mit einem »Luftreifen«, den ihm sein Vater aus Gummistücken zusammengeklebt hatte. Der aus Schottland stammende Tierarzt

John Boyd Dunlop (1840 - 1921),
der sich in Irland niedergelassen hatte, sinnierte schon seit Jahren bei längeren Kutschfahrten auf den holpigen Landwegen zu seiner Kundschaft kreuzschmerzgeplagt auf Abhilfe: »Man müsste die Stöße da abfangen, wo sie entstehen: zwischen der Straße und den Felgen  –  «. In seiner Praxis hatte er viel mit Gummiartikeln zu tun: »Man könnte  –   –  – ». Den Anstoß seine Gedanken in die Tat umzusetzen, gab ihm sein zehnjähriger Sohn Johnny, als er ihn bat, sein Veloziped (wörtlich »schnelle Füße« = Dreirad) für ein Rennen unter Jugendlichen zu präparieren, er komme mit dem Rad einfach voran.

Das Resultat war ein mit Leinwand ummantelter Gummischlauch mit einem Füllventil, der zum Schutz mit einer Gummischicht überzogen war, den er über die Hinterräder des Dreirades montierte. Nach dem erfolgreichen Abschneiden seines Sohnes beim Rennen ließ sich Dunlop die Erfindung noch im gleichen Jahr patentieren.

Das 1817 vom Baron von Drais gebaute erste lenkbare Laufrad, die »Draisine»,
hatte sich über die Michauline (1861) und das Hochrad (1869) hin zum Safety, dem sicheren Niederrad (1884) entwickelt und war allgemein zu einem beliebten Sportgerät geworden. Es gab Fahrschulen und immer mehr Radfahrclubs, die Rennen veranstalteten.

Bei der 1889 stattfindenden Stadtmeisterschaft für Radrennen in Belfast siegte Dunlops »pneumatisches Sicherheitsrad« haushoch, und das mit einem mittelmäßigen Fahrer. Daraufhin gründete Dunlop zusammen mit dem reichen Papierfabrikanten Harvey du Cros in Dublin einen Fahrrad- und Reifenhandel und schon Ende des Jahres

1889 die Dunlop Pneumatic Tyre Co. Ltd,
in der Westland Row in Dublin. 1890 wurde Dunlops Patent wieder kassiert. Was Dunlop nicht wusste: 1845 hatte sein schottischer Landsmann Robert William Thomson (1822 - 1873) schon einmal ein Patent auf einen Luftreifen erhalten, sich damit aber nicht durchsetzen können. Dunlops Geschäft blühte trotzdem. Schon vier Jahre nach der Firmengründung konnte 1893 im hessischen Hanau die erste Dunlop-Auslandsniederlassung gegründet werden – 1895 fuhr das erste Auto auf Luftreifen  –  – 

Der Begriff Gummi
(aus dem ägyptischen kami) bezeichnete ursprünglich Kautschuk oder andere kautschukähnliche ab-gezapfte Pflanzensäfte, die beim Eintrocknen durch chemische Prozesse zu plastisch-elastischen Feststoffen verhärten. Durch die Entdeckung Amerikas im 15. Jahrhundert kam der Kautschuk (aus den mittelameri-kanischen Indianersprachen cao = Baum und ochu = Träne, zusammen = weinender Baum) aus Mittelamerika nach Europa, zuerst in Form von elastischen Bällen, mit denen Eingeborene auf Haiti Spiele veranstalteten.

Über Jahrhunderte hinweg wusste man nichts mit dem Material anzufangen. Erst als von 1735 bis 1745 Charles Marie de La Condamine während einer Expedition für die Pariser Akademie der Wissenschaft im Amazonasgebiet beobachtete, wie Kautschuk verwendet wurde – neben den Bällen auch als Schläuche und Gefäße &ndash und die indianische Herstellungsweise beschrieb, begannen die ersten europäischen Versuche mit diesem neuen Werkstoff.

1761 wurde ein Lösungsmittel für festen Kautschuk gefunden, um 1770 entstand der Radiergummi, 1824 der erste Regenmantel und Gummistiefel  –  doch trotz dieser und weiterer Erfolge blieb das Material eigentlich unbbrauchbar. Bei Erwärmung wurde es weich, bei großer Hitze begann es zu kleben, bei Kälte wurde es brüchig und durch Einwirkung von Luft und Licht zersetzte es sich.

Daher experimentierte eine Reihe von Forschern weiterhin mit dem Rohstoff, um dessen Eigenschaften zu verbessern. Einer von ihnen war der ewig verschuldete amerikanische Chemiker, Erfinder und Amateur-forscher

Charles Nelson Goodyear (1800 - 1860).
Auch er stellte anfangs Kleidung und andere Produkte aus Kautschuk her. Doch erfolgreich war er damit nicht. Mehrfach landete der Chemiker wegen Zahlungsunfähigkeit im Schuldgefängnis. Während seiner mit Besessenheit fortgeführten Kautschuk-Experimente gelang Goodyear schließlich 1839 der Durchbruch. Er erhitzte Kautschuk gemeinsam mit Schwefel und erhielt einen geruchsarmen Stoff, der bei Kälte und Wärme gleichbleibend elastisch und stabil war. Goodyear hatte die Vulkanisation erfunden und damit das erste brauchbare Gummi.  –  Einer Anekdote zufolge soll sein kleiner Sohn aus Versehen Scheidewasser (das Schwefel enthält) auf einen Kautschukklumpen verschüttet und Goodyear sein Experiment im oder auf dem Ofen schlicht vergessen haben.

Dennoch brauchte Goodyear noch weitere fünf Jahre, bis er sein Verfahren für ausgereift hielt und es zum Patent anmeldete. Seine Familie litt weiter. Sein kleiner Sohn, möglicherweise durch Mangelernährung geschwächt, erkrankte und starb. Selbst als der Erfolg in greifbare Nähe gerückt war, blieben Goodyear gelegentliche Aufenthalte im Schuldgefängnis nicht erspart. Konkurrenten machten sich immer wieder unrechtmäßig seine Erfindung zunutze. Als Goodyear 1860 – vermutlich an einer Bleivergiftung – starb, hinterließ er mehrere hunderttausend Dollar an Schulden.

38 Jahre nach Goodyears Tod gründeten zwei in die USA eingewanderte Deutsche eine Firma mit dem Namen

Goodyear Tire & Rubber Company,
um Reifen herzustellen. Der Name wurde Charles Nelson zum Gedenken gewählt. Das Geschäft mit dem Gummi  –  es wurde von anderen gemacht.

Währenddessen war es um Gottlieb Daimler still geworden. Mit allerlei Finessen  –  mit von Benzin-Motoren angetriebenen Booten, Straßenbahnen etc  –  versuchte er, die verschreckten Menschen mit der neuen Technik vertraut zu machen. Ja, selbst mit motorbetriebenen Ballons wurde experimentiert.

Zusammen mit Maybach entwickelte er einen neuen Stahlradwagen mit einem Viergang-Zahnradgetriebe, das stufenweise Geschwindigkeiten von 5 bis 17 Stundenkilometer ermöglichte. 1889 beschickte er die Pariser Weltausstellung mit all seinen neuesten Erzeugnissen. Aber das Resultat war äußerst mager. Inzwischen waren Daimlers Resourcen nahezu aufgebraucht und es wurde notwendig, seinem Unternehmen größere Mittel zuzuführen. So entschloss er sich mit zwei finanzkräftigen Partnern

1890 die Daimler-Motoren-Gesellschaft
zu gründen. Doch bald zeigte sich, dass seine Partner mehr an einer raschen kommerziellen Auswertung als an den notwendigen Entwicklungsarbeiten des Motors interessiert waren. Sie bezweifelten, dass der schnelllaufende kleine Motor und seine Verwendung in Fahrzeugen überhaupt eine Chance hätte.

Ganz anders sah die Lage in Frankreich aus. Seit Jahren schon bauten dort verschiedene Firmen mit Dampf betriebene Automobile. Dadurch war der »Wagen ohne Pferde« beim Volke bekannt. 1886 hatte Daimler dem Pariser Rechtsanwalt Edouard Sarazin, den er aus seiner Deutzer Zeit kannte, für geleistete Dienste seine französischen und belgischen Patente auf den schnell laufenden Daimler-Motor überlassen. 1987 starb Sarazin überraschend, seine Frau heiratete später

Emile Levassor ( 1843 - 1897),
Teilhaber der Firma »Panhard & Levassor«, und in diese Ehe brachte sie die Daimler-Patente ein. Levassor, der vorher schon stationäre Daimler-Motoren in Lizenz gebaut hatte, begann nun auch mit der Automobil-Konstruktion. Nach vielen Versuchen gelang ihm eine reibungslose 10-Kilometer-Fahrt – und bald wurden seine pferdelosen Benzin-Wagen im ganzen Lande zum Begriff. Als nun der Benzin- Motor aus Deutschland solche Erfolge zeigte, erwarb

Armand Peugeot (1849 - 1915),
der bisher Fahrräder und Dampfwagen gebaut hatte, von Madame Sarazin Daimler-Lizenzen. Noch im ersten Jahr nach Beginn der Produktion 1891 ließ er ein Quadricycle »Vis a Vis« mit einem 2-Zylinder Daimler-Motor bei einem von der Zeitschrift »Le Petit Journal« organisierten Langstrecken-Fahrradrennen mitfahren. Mit einem Durchschnitt von 15 Stundenkilometern bewältigte sein Wagen die 1200 Kilometer der Strecke anstandslos – schneller waren freilich die Fahrradfahrer, die mühelos den Peugeot überholten.

Solche Radrennen waren in Frankreich sehr populär. Musste ein Autorennen nicht noch weit aufregender sein? Wenn sich zischende Dampfungetüme und stinkende Benzinwagen gegenseitig maßen?

Aus solcher Freude der Franzosen an aufregenden Ereignissen entstand
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