Walter Gotschke Bildarchiv
 
Die Grands Prix des ACF 1906 - 1914
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Sieger Renault vor F.I.A.T.          1906 Erster Grand Prix des ACF
1906 First Grand Prix de l'ACF - Felice Nazzaro in the F.I.A.T. talking to Vincenzo Lancia who stands beside the car
1906 Erster Grand Prix des ACF bei Le Mans       Felice Nazzaro im F.I.A.T., davor Vincenzo Lancia
Nachdem nach vier französischen Erfolgen 1905 der Gordon-Bennett-Pokal endgültig in den Besitz des Automobil-Clubs von Frankreich gegangen war, und ganz allgemein die Ausschreibungs- und Sicherheitsbedingungen der Stadt-zu-Stadt-Rennen, bei denen es zahlreiche Todesfälle zu beklagen gab, ins Kreuzfeuer der Kritik geraten waren, hatte sich der Automobilclub von Frankreich (ACF) entschieden, Rennveranstaltungen nur noch auf abgesicherten Rundkursen stattfinden zu lassen.
Die Vorschriften der Nationen-Rennen wurden aufgehoben, jeder interessierte Autohersteller durfte teilnehmen, aber höchstens drei Fahrzeuge melden. Die Herkunft der Fahrer war kein Kriterium mehr und nur der Fahrer und sein Mechaniker durften während des Wettbewerbs am Fahrzeug arbeiten. Ein Wechsel von Fahrer und Beifahrer war nicht erlaubt.
Auch wurde, erstmals im Motorsport, eine verbindliche Fahrzeugformel festgelegt: das Wagengewicht durfte 1000 Kilogramm nicht überschreiten – Kotflügel, Polsterung, Hupe, Beleuchtung und Werkzeugkasten nicht mitgerechnet.
Ein neuer Fahrzeugtyp begann sich zu entwicklen: der Grand-Prix-Wagen.
Der erste Grand Prix der Weltgeschichte wurde am 26. und 27. Juni 1906 auf dem 103 Kilometer langen Cicuit de la Sarthe
bei Le Mans in zwei Tagesetappen ausgetragen. Pro Tag war dieser Kurs sechs Mal zu umfahren, insgesamt waren 1238 Kilometer zu bewältigen.
Am Startplatz sehen wir hier im F.I.A.T. den Starpiloten Felice Nazzaro im Gespräch mit seinem Freunde Vicenzo Lancia,
dem späteren Begründer der Firma Lancia, hier noch Chefinspektor und ebenfalls Testfahrer von F.I.A.T.;  im Hintergrund deutlich den 130 HP Hotchkiss (12C) mit Elliot Shepard.
1906 First Grand Prix de l'ACF - Winner Ferenc Szisz driving the Renault AK 90CV
1906 Erster Grand Prix des ACF bei Le Mans     Sieger Ferenc Szisz auf Renault AK 90CV
Ferenc Szisz, ein Ungar aus der Habsburger k.u.k.Monarchie, begann sich schon als Jugendlicher für Automobile zu interessieren. Auf der Suche nach einer Tätigkeit blieb er – nach Wien, München und Berlin – in Paris hängen, wo er im Jahre 1900 in der Firma der Brüder Renault Leiter der Testabteilung wurde.
Bei den Stadt-zu-Stadt-Rennen Paris–Wien 1902 und Paris–Madrid 1903, an denen die Firmengründer Louis und Marcel Renault zu Werbezwecken für die eigene Marke teilnahmen, war er der mitfahrende Mechaniker bei Louis. Als beim letzteren Rennen Marcel Renault tödlich verunglückte, zog sich Louis vom Rennsport zurück. Erst 1905 baute er erneut einen Rennwagen, und Mechaniker Szisz avancierte zum Rennfahrer.
Zum 1.Grand Prix des ACF 1906 meldete Renault drei Fahrzeuge. Das Rennen wurde in zwei Tagesetappen auf einer Rundstrecke von 103 km Länge bei Le Mans ausgetragen, die je Tag sechs Mal umrundet werden musste.
32 Fahrer von 12 verschiedenen Autowerken – darunter Renault, Brasier, Mercedes, F.I.A.T. und Itala – standen am Start.
Es war brütend heiß und die eigens für den Grand Prix aufgebrachte Asphaltmischung erschwerte noch diesen Zwölf–
Stunden-Marathon anstatt ihn zu erleichtern. Der von den Autos aufgewirbelte schmelzende Teer verursachte bei zahlreichen Fahrern schwere Verbrennungen.
Sziszs härtester Konkurrent war der Italiener Felice Nazzaro auf F.I.A.T.. Der Wagen hatte zwar mehr PS, benötigte aber
viel mehr Zeit zum Reifenwechseln als der Renault, der für die Hinterräder abnehmbare Radfelgen besaß. Während die anderen Rennfahrer vor dem Reifenwechsel mühevoll mit einem Messer die heißen Gummireste von den Felgen kratzen mussten, tauschten der gut trainierte Ferenc Szisz und sein Beifahrer die hölzernen Kompletträder in kaum vier Minuten aus. Der Zeitgewinn wog sogar den Gewichtsnachteil von neun Kilogramm pro Holzrad gegenüber einem leichteren Drahtspeichenrad auf.

Mit der sensationellen Durchschnittsgeschwindigkeit von 101,19 Stundenkilometern gewann Ferenc Szisz mit seinem Beifahrer Marcel Marteau auf dem Renault AK 90CV diese Zwei–Tages–Tortur des ersten Grand Prix de l'ACF.
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F.I.A.T.   1907 Grand Prix des ACF
1907 Grand Prix de l'ACF - Felice Nazzaro in a F.I.A.T. 16,3-litre 130hp
1907 Grand Prix des ACF,  Dieppe Startplatz     Felice Nazzaro im F.I.A.T. 130 PS-Grand-Prix-Wagen
Der zweite Grand Prix des ACF wurde am 2. Juli 1907 auf einer Rundstreckenkombination in der Nähe von Dieppe in der französischen Normandie ausgetragen. Die Strecke führte von Dieppe nach Osten, bog von Londinières scharf nach Norden, erreichte in Eu den nördlichsten Punkt und kehrte die Küste entlang nach Dieppe zurück. Sie bildete ein Dreieck von 77 Kilometern Länge, 10 Runden waren zu fahren. Start war frühmorgens um sechs Uhr.
Bemerkenswert sind die Startnummern. Sie bestanden aus den Anfangsbuchstaben der Automarke und einer Zahl, die den Rang im Team bezeichnete.
So bedeutete F-1 = F.I.A.T. mit Fahrer Lancia, F-2 = F.I.A.T. mit Fahrer Nazzaro, M-1 = Mercedes mit Fahrer Jenatzy usw.

In Intervallen von jeweils einer Minute wurden die am Start stehenden 38 Fahrzeuge ins Rennen geschickt. Zu Beginn führte Louis Wagner auf F.I.A.T., bis ihn in der 4. Runde das Getriebe im Stich ließ. Anschließend lag Arthur Duray mit seinem Lorraine-Dietrich an der Spitze – mit sensationellen 121.34 km/h war er die schnellste Durchschnittsgeschwindigkeit gefahren. Bis zur 9. Runde standen die Chancen für einen französischen Triumph gut – doch dann fiel auch er mit Getriebeproblemen aus.
Jetzt in der letzten Runde sah es nach einem F.I.A.T.-Doppelsieg aus – da blieb mit Kupplungsschaden Lancia in Sichtweite des Zieles stehen – und der stets sehr besonnen fahrende Felice Nazzaro holte mit einem Renndurchschnitt von 113.6 Stundenkilometern für F.I.A.T. den Sieg.
Rechts sehen wir hier am Start den späteren Sieger Felice Nazzaro auf seinem 4-Zylinder-15,5-Liter-F.I.A.T. 130 PS –
deutlich im Hintergrund der Mercedes 120 PS (M2) mit Otto Salzer.

Weitere Nazzaro auf F.I.A.T.-Motive siehe  Erste Automobilrennen 1894 - 1914
1907 Grand Prix de l'ACF     F.I.A.T. 130 PS versus Mercedes 120 PS
Der Große Preis von Frankreich war zu dieser Zeit der einzige große internationale Wettbewerb  für Automobile und von großer geschäftlicher Bedeutung  für die Automobilwerke. Weder 1906 noch 1907 waren die Mercedes-Rennwagen erfolgreich.
Camille Jenatzy im Mercedes 120 PS, hinter ihm Vincenzo Lancia auf dem 130 PS-F.I.A.T. – beide fielen kurz vor Ende des Rennens aus.
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Mercedes 120 PS-Rennwagen    1907 Grand Prix des ACF
In einer Ortsdurchfahrt sehen wir hier Camille Jenatzy im Mercedes 120 PS, hinter ihm Vincenzo Lancia auf dem 130 PS-F.I.A.T.. Beide fielen kurz vor Ende des Rennens aus.
1907 Grand Prix de l'ACF - Camille Jenatzy diving a Mercedes 120hp
1907 Grand Prix des ACF,  Dieppe     Mercedes120 PS Grand Prix-Rennwagen
Für die Rennsaison 1906 hatte Wilhelm Maybach zum ersten Mal einen Rennwagen mit Sechszylindermotor entwickelt –
und ausgerechnet um die moderne Konstruktion herum entstand bei der Daimler-Motoren-Gesellschaft ein Zwist. Die internen Querelen hatten zur Folge, dass nicht nur für den ersten Grand Prix von Frankreich 1906 kein ausreichend erprobter Sechszylinderwagen zur Verfügung stand, sondern auch Wilhelm Maybach zum 1. April 1907 nicht ohne Verbitterung aus der DMG ausschied. Ins Rennen gingen schließlich drei Exemplare des Mercedes 120 PS Vierzylinderwagen aus dem Jahr 1905, von denen einer ausfiel und zwei abgeschlagen auf den hintersten Plätzen landeten.
Beim zweiten Grand Prix des ACF, diesmal auf einer Rundstreckenkombination bei Dieppe mit 77 Kilometern über zehn Runden, schickten die deutschen Daimler-Motorenwerke drei der inzwischen noch von Wilhelm Maybach modifizierten Mercedes 120 PS-Grand Prix-Rennwagen an den Start. Aber auch diesmal war den Deutschen das Glück nicht hold –  sowohl Camille Jenatzy als auch Otto Salzer blieben auf der Strecke, Victor Hémery schaffte es noch auf einen 10. Platz.
Die schlechten Rennergebnisse der letzten Jahre setzten den Daimlerwerken sehr zu – Umsatz und Gewinn bei den Fahzeugen gingen drastisch zurück.
1907 beim ACF von Frankreich waren Otto Salzer und sein Beifahrer Christian Lautenchlager die ersten deutschen Fahrer im Grand Prix-Sport. Das Rennen konnten sie nicht beenden, eine Runde vor Schluss schieden sie aus.
Bemerkenswert sind die Startnummern. Sie bestanden aus den Anfangsbuchstaben der Automarke und einer Zahl, die den Rang des Fahrers im Team bezeichnete.
So bedeutete M-1 = Mercedes mit Fahrer Jenatzy, M-2 = Mercedes mit Fahrer Salzer usw.
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Mercedes 140-PS Grand Prix Rennwagen    1908 Grand Prix des ACF
1908 Grand Prix de l'ACF - Christian Lautenschlager driving 140 PS Mercedes
1908 Grand Prix des ACF,  Dieppe          Christian Lautenschlager auf 140 PS Mercedes
Am 3. Juli 1908  fand wie im Vorjahr auf der Rundstrecke bei Dieppe in Nordfrankreich der dritte Grand Prix des ACF statt. 10 Runden, insgesamt 769.88 Kilometer, waren in zu bewältigen. Die Konkurrenz war beachtlich: 48 Teilnehmer – davon die Hälfte aus Frankreich, neun aus Deutschland, je sechs aus England und Italien, drei aus Belgien und einer aus den USA – machten sich den Großen Preis streitig. Der Rennbeginn war für sechs Uhr morgens angesetzt, damit auch die letzten Fahrer das Ziel bei Tageslicht erreichen konnten. Nacheinander gingen die Fahrer auf die Strecke.
Links sehen wir hier am Start Christian Lautenschlager, den Cheftester der deutschen Daimler Motorenwerke, bei seinem ersten Renneinsatz auf einem 140 PS-Mercedes-Grand Prix-Rennwagen;  im Hintergrund den Renault Grand Prix-Wagen #21 mit Gustave Caillois, in der Mitte den F.I.A.T.-Grand Prix-Rennwagen #24 von Felice Nazzaro.
Die Renn-Formel war leicht modifiziert worden: Mindestgewicht 1100 kg, maximale Bohrung 155 mm für Vierzylinder- und
127 mm für Sechszylinder-Motoren. Die deutschen Daimler-Motoren-Werke waren mit drei auf dem Vorjahresmodell basierenden, aber grundlegend überarbeiteten 140 PS-Mercedes-Grand Prix-Rennwagen vertreten, mit ihren Fahrern Willy Pöge, Otto Salzer und dem Rennfahrer-Neuling Christian Lautenschlager am Steuer.
Während in der ersten Hälfte des Rennens die Führung von Runde zu Runde wechselte, übernahm sie nach der fünften Runde Christian Lautenschlager, um sie bis ins Ziel nicht mehr abzugeben. Nach sechs Stunden, 55 Minuten und 43 Sekunden überquerte er die Ziellinie, neun Minuten vor den beiden ihm folgenden Benzfahrern Hémery und Hanriot.
1908 Grand Prix de l'ACF,  Dieppe  ;Christian Lautenschlager in his 140 HP Mercedes in the pits
1908 Grand Prix des ACF,  Dieppe       Christian Lautenschlager auf 140 PS Mercedes
      in den ›pits‹  –  und dem Sieg entgegen
Dieses dritte Rennen des ACF war vom Club perfekt durchorganisiert. Zum ersten Mal gab es an der Strecke Tribünen
für die Zuschauer
, die auf dem Festland mit Sonderzügen zum Rennen und von England mit Sonderschiffen in die Küsten-
städte gebracht wurden. 300 000 Besucher belohnten diese Anstrengungen.
Außerdem war neben der Rennbahn ein breiter Graben ausgehoben worden. Hier in den pits, wie sie ein englischer Journalist in einem zeitgenössischen Bericht nannte, befanden sich die Reparatur-Werkstätten und Depots der teilnehmenden Firmen. Ein Halt dort wurde als pit stop bezeichnet – ein neuer Begriff im Rennsport war geboren.
Die Strecke allerdings war durch das Voiturette-Rennen vom Vortag stark ramponiert und während des Rennens löste sich
die Fahrbahndecke immer mehr auf,  sie war von Schlaglöchern übersät. Viele Wagen fielen wegen der häufigen Reifen-
pannen aus – sie hatten einfach zuwenig Reifen auf Lager. Lautenschlager war zu zehn Stopps gezwungen, bei denen
22 Reifen gewechselt wurden – nicht nur in den pits, sondern auch unterwegs auf der Strecke, manchmal sogar mehrmals
pro Runde.
Drei Runden vor Schluss wurden Christian Lautenschlager die letzten vier Reifen, die Mercedes im Depot noch zur Verfügung hatte, aufgezogen. Äußerst schonend legte er danach die letzten Runden zurück und gewann für Mercedes das Rennen vor den beiden Benz-Fahrern Hémery und Hanriot.br>
Dieser Sieg war ein beispielloser Erfolg  für Deutschland und für die Daimler-Motoren-Gesellschaft in Stuttgart,  der ihr
aus England,  Amerika und Russland bedeutende Exportaufträge brachte.

Für die Franzosen und ihre stolze Automobil-Industrie allerdings war das Ergebnis aber ein herber Schlag – sie sollten
sich lange nicht von diesm Schock erholen – erst 1912 fand der nächste Grand Prix des ACF statt.
1908 Grand Prix de l'ACF - Victor Hémery driving a 4-Zylinder-12,5-Liter-Benz
1908 Grand Prix des ACF,  Dieppe     Victor Hémery auf dem 4-Zylinder-12,5-Liter-Benz
Karl Benz hielt nicht viel von diesen neuen Automobilrennen, bei denen es seiner Meinung nach zu primär auf die Schnelligkeit ankam. Für ihn waren Zuverlässigkeit und Sicherheit die entscheidenden Faktoren. Doch die Aktiengesellschaft Benz & Cie. entschied sich gegen seinen Willen für die Produktion von schnelleren Automobilen und beteiligte sich an Automobilrennen, da diese ein nicht zu unterschätzender Werbefaktor waren.
Und es zeigte sich, dass die robusten Benz-Wagen mit den Anforderungen der extrem schlechten Straßenbedingungen bei dem dritten Grand Prix des ACF,  ausgetragen auf öffentlichen,  aber abgesperrten Landstraßen südlich der nordfranzösischen Küstenstadt  Dieppe, am besten zurechkamen.
Nach einem Voiturette-Rennen am Vortag waren die Straßen in einem desaströsen Zustand, an dem Reparaturarbeiten während der Nacht wenig ändern konnten. Der mit Schlaglöchern übersäte Boden zerfetzte nicht nur die Reifen, der frische Teerbelag löste sich während des Rennens immer mehr auf und bedeckte Wagen und Fahrer mit einer dicken Schicht Teerstaub, der in den Augen brannte.
In der siebten Runde zertrümmerte ein aufgewirbelter Stein Hémerys linkes Brillenglas – beim anschließenden pit stop, entfernte ihm ein Arzt den Splitter und Hémery setzte das Rennen fort.
Auf den Plätzen zwei und drei fuhren die beiden Benzfahrer, der sehbehinderte Victor Hémery sowie René Hanriot, dicht hintereinander durchs Ziel;  ihr Markenkollege Fritz Erle belegte eine knappe Stunde später Rang sieben. Für das Benz-Werk war es zugleich die Grand-Prix-Premiere.  Da freute es besonders, dass die Marke als einzige alle drei Fahrzeuge ins Ziel brachte. Sie erhielt dafür den Preis der Regelmäßigkeit.
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14,1 Liter-F.I.A.T.         1912 Grand Prix des ACF
1912 Grand Prix de l'ACF, Dieppe - Louis Wagner driving a 14,1-Liter-F.I.A.T.
1912 Grand Prix des ACF,  Dieppe     Louis Wagner auf 14,1 Liter-F.I.A.T.
Auf die Euphorie der ersten Jahre war eine Rennmüdigkeit getreten. Frankreich, die große Autonation, musste seine gegen Deutschland erlittene Niederlage von 1908 erst einmal verdauen. Außerdem hatten sich die finanziellen Ressourcen der
meisten Autobauer, die häufig nicht mehr als größere Schlosserwerkstätten waren, aufgebraucht, der technische Aufwand
aber stieg ständig. Hunderte dieser kleinen Manufakturen machten sich die wenigen betuchten Kunden streitig. Erst nach
drei Jahren Pause gab es wieder einen Grand Prix.
Damit zum vierten Grand Prix des ACF ein einigermaßen großes Feld zusammenkam, wurde er nach der freien Formel ausgeschrieben, also ohne jede technische Beschränkung. Da einige große Firmen dem Rennen fernblieben wurde der Grand Prix des A.C.F. mit einem anderen Rennen gekoppelt, mit dem »Coupe de l'Auto«. Der Austragungsort war wieder Dieppe.
Das Rennen lief an zwei Tagen über je 10 Runden. Mit 1536 Kilometern war es das längste, das es bis dahin gegeben hatte. 47 Wagen standen am Start, zum Großteil veraltete Autos, gelenkt von echten Veteranen. Die deutschen Fabrikate und Fahrer fehlten gänzlich.
Hier in der Ortsdurchfahrt sehen wir Louis Wagner auf einem 14,1-Liter-F.I.A.T.. Nur drei Exemplare wurden von diesem 190 PS-starken Wagen, der speziell für Rennen konzipiert wurde, hergestellt.
1912 Grand Prix de l'ACF - George Boillot / Peugeot versus Louis Wagner / F.I.A.T.
1912 Grand Prix des ACF,  Dieppe     George Boillot / Peugeot versus Louis Wagner / F.I.A.T.
Georges Boillot, der prominenteste französische Rennpilot, war ein sehr draufgängerischer Fahrer. Wie ein römischer Wagenlenker nahm er die Kurven.
Beim 4. Grand Prix des ACF, der über zwei Tage mit je 10 Runden lief, belegte Boillot mit seinem 7,6 Liter-Peugeot am ersten Tag vor Louis Wagner auf F.I.A.T. den 2. Platz, den zweiten Lauf am nächsten Tag gewann er und wurde somit Grand-Prix-Sieger.

Auch beim Großen Preis des ACF von 1913 holte George Boillot den Sieg für Peugeot – Frankreichs Ehre war wieder gerettet.
Der Peugeot L76 der beste Rennwagen. Er war das allererste Fahrzeug, das einen Motor mit vier oben liegenden Nocken- wellen und mit vier Ventilen pro Zylinder hatte und einem Hubvolumen von 7600 ccm der 140 PS entwickelte.
1912 beschäftigte die Firma 2500 Arbeiter, ihre Produktion erreichte 9000 Wagen.
1912 Grand Prix de l'ACF - At the start Dario Resta in a Sunbeam
1912 Grand Prix des ACF,  Dieppe     Am Start Dario Resta im Sunbeam
Gemeinsam mit dem Grand Prix des ACF von 1912 lief der »Coupe de l'Auto«  für Rennwagen bis 3 Liter Hubraum, ausgeschrieben von der englischen Automobil-Zeitung l'Auto. Unter den 47 startenden Autos dominierten die Kleinwagen.
Der englische Autobauer Sunbeam war mit 4 Fahrzeugen vertreten, die am Ende den dritten, vierten und fünften Platz belegten, und der damit in der Voituretten-Wertung um den »Coupe de l'Auto« einen Dreifachsieg errang.
Hier sehen wir Dario Resta in einem Sunbeam am Start. Am Ende wurde er zwischen seinen Markenkameraden Victor Rigal und Emile Medinger Vierter.
1914 Grand Prix de l'ACF - Carl Jörns in an Opel race car
1914 Grand Prix des ACF,  Lyon     Carl Jörns auf Opel-Rennwagen
Vom Norden Frankreichs war der Große Preis des ACF in den Süden verlegt worden, 20 Runden mussten auf einem 37,66 km langen Dreieckskurs auf öffentlichen, eigens abgesperrten Landstraßen südlich von Lyon.langen Rundkurs bei Lyon bewältigt werden. Für diesen Grand Prix galt die neu geschaffene 4,5-Liter-Hubraumformel und der Rennwagen durfte höchstens
1100 Kilo auf die Waage bringen. 14 Hersteller aus sechs Nationen treten bei dem strapaziösen Rennen über 750 Kilometer an. Auch Opel war mit drei Grand-Prix-Wagen am Start. Wie üblich starteten die Fahrer paarweise alle dreißig Sekunden.
Die ersten, die losgeschickt wurden, waren Ferenc Szisz, der die neue Marke Alda fuhr und Carl Jörns auf seinem Opel-Rennwagen 120 PS. Das dem neuen Reglement angepasste Fahrzeug besaß einen gusseisernen Reihenvierzylinder mit einem Hubraum von zwölf Litern, einer oben liegenden Nockenwelle, 16-Ventiltechnik und ein Vierganggetriebe.
Nach anfänglichen Problemen und einer grandiosen Aufholjagd während des Grand Prix errang Carl Jörns noch den zehnten Platz. Die bei Rennen gemachten Erfahrungen flossen in den Personenwagenbau ein – 1914 war Opel der größte Hersteller motorisierter Fahrzeuge in Deutschland.
1914 Grand Prix de l'ACF - In the pits George Boillot with his Peugeot
1914 Grand Prix des ACF,  Lyon     Am Depot George Boillot auf Peugeot
Für 1914 begrenzte die Formel den Hubraum auf 4,5-Liter. Leichte Motoren lösten die schweren 15- bis 18-Liter-Maschinen ab. Der neue Peugeot L45 wies einen 112-PS-starken Motor mit zwei obenliegenden Nockenwellen auf und startete erstmals mit Vierradbremsen.
Hier während des Rennens der Favorit Frankreichs, Sieger der Grand Prix de l'ACF von 1912 und 1913, George Boillot mit seinem Peugeot am Depot beim Tanken und Reifenwechsel.
Dieser Grand Prix sollte George Boillots letzter Renneinsatz werden. Im heraufdräuenden großen Nationen-Krieg wurde er Kampfpilot und fiel 1916 bei einem Luftkampf mit fünf deutschen Fokker-Piloten über Verdun in Frankreich.
1914 Grand Prix de l'ACF - Mercedes-115 PS-4,5-Liter-GP-Rennwagen with the bow tail
1914 Grand Prix des ACF,  Lyon     Mercedes-115 PS-4,5-Liter-GP-Rennwagen mit Bugverkleidung
Als Walter Gotschke Mitte der 50er Jahre im Untertürkheimer Mercedes-Museum nach Unterlagen für seine erste Zeichnung
vom Frankreich-Grand Prix 1914 suchte, dachte man dort noch, das abgebildete Modell mit der Bugform sei das Siegerfahrzeug gewesen, darum ist es auf  Gotschkes erster Zeichnung von diesem Rennen für die Motor Revue abgebildet. Heute weiß man,
dass das Fahrzeug ein aus zwei Teilen zusammengesetztes Auto ist.
Christian Lautenschlager und Otto Salzer fuhren so hergerichtete 4,5-Liter-Grand Prix-Rennwagen nach dem Ersten Weltkrieg bei der Targa Florio 1922.
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Mercedes versus Peugeot         1914 Grand Prix des ACF
1914 Grand Prix de l'ACF - Lautenschlager / Mercedes versus Boillot / Peugeot
1914 Grand Prix des ACF,  Lyon     Lautenschlager / Mercedes versus Boillot / Peugeot
Beim 4. Grand Prix des ACF trat Mercedes mit fünf 115 PS-starken Vierzylindern an. Obwohl die Fahrzeuge windschlüpfig klein waren, wurden sie von allen Teilnehmern als chancenlos angesehen, da sie nur mit den Hinterrädern bremsen konnten. Bei den vor dem Grand Prix stattgefundenen Testfahrten waren die mit Vierradbremsen ausgestatten Fahrzeuge – so auch der als Favorit gesehene Peugeot – eindeutig schneller.
Doch schon nach den ersten Runden erwies sich Mercedes als stärkster Konkurrent.  Sehr rasch wurde das Rennen von nur zwei Marken beherrscht:  Peugeot und Mercedes.
Boillot und Lautenschlager sind sich während des Rennens nie begegnet, es war ein Zeitfahren. Die Fahrzeuge starteten
zu zweit nacheinander im Abstand von einer halben Minute.  Um aber die damals empfundene Dramatik sichtbar zu machen, ließ Walter Gotschke die beiden Kontrahenten im Kampf aufeinandertreffen. – erst in der letzten Runde fuhr Lautenschlager direkt an Boillot vorbei.
1914 Grand Prix de l'ACF - Mercedes meets Mercedes
1914 Grand Prix des ACF,  Lyon     Lautenschlager trifft Wagner / beide Mercedes
Der Grand Prix des ACF, der über eine Distanz von über 750 Kilometern auf einem Dreieckskurs zwischen Brignais, Givors
und Rive-de-Gier in der Nähe von Lyon über 7 Stunden ging,  forderte seinen Tribut an Reifen und Motoren.
So auch beim Mercedes von Louis Wagner, der sich hier dreht – er fiel zurück. Am Ende wurde er Zweiter, hinter Christian Lautenschlager und vor Otto Salzer.
1914 Grand Prix de l'ACF - Winner Christian Lautenschlager in a Mercedes
1914 Grand Prix des ACF,  Lyon      Sieger Christian Lautenschlager auf Mercedes
Auf der Geraden zu Beginn der 18. Runde führte Lautenschlager vor dem Peugeot von Boillot, den bald darauf auch Wagner mit seinem Mercedes überholte. In der 20. und letzten Runde, wenige Kilometer vor dem Ziel, überdrehte Boillot aus Versehen den Motor, sein Peugeot blieb stehen – nach Wagner fuhr auch Otto Salzer, der dritte Mercedesfahrer, an ihm vorbei.
Dieser Mercedes-Dreifachsieg war der erste Marken-Dreifachsieg in der Geschichte des Motorsports.
In der, durch die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Erzherzog Ferdinand und seiner Frau wenige Tage vor dem Rennen, schon sehr angespannten politischen Lage in Europa, wurden die deutschen Sieger mit eisigem Schweigen begrüßt, keine Hand rührte sich zum Applaus.
1914 Grand Prix de l'ACF - The end of an era
1914 Grand Prix des ACF,  Lyon     Das Ende einer Epoche
Schon war Georges Boillot mit seinem Peugeot auf Platz drei zurückgefallen, vor ihm lagen die beiden Mercedes-Werksfahrer Christian Lautenschlager und Louis Wagner. Da überdrehte er wenige Kilometer vor dem Ziel versehentlich den Motor, ein Ventil brach, sein Peugeot blieb stehen – jetzt fuhr auch noch Otto Salzer, der dritte Mercedesfahrer, an ihm vorbei.  – 
Dieser Mercedes-Triumph auf den ersten drei Plätzen war der erste Marken-Dreifachsieg in der Geschichte des Motorrennsports.
Mit dem Grand Prix bei Lyon 1914, kurz vor Beginn des ersten Weltkriegs, ging eine große Epoche zu Ende, eine wechsel-
volle und faszinierende Ära des Motorsports fand ihren Abschluss:  die Zeit der ersten Rennen von Stadt zu Stadt  und der anschließenden Rundstreckenrennen auf improvisierten, gefährlichen und sehr langen Straßenkombinationen.
Zu Ende ging die Ära der heroischen Fahrer, die bei härtesten Bedingungen mörderische Distanzen zurücklegten und sich stundenlang nicht ablösen ließen; der bärenstarken Burschen, denen die mächtigen Holzräder der harten Lenkungen die Hände blutig schlugen. Waren die Geschwindigkeiten an heute gemessen auch nicht überaus hoch, so fuhr man aber über feldwegähnliche Land- und Schotterstraßen, mit kaum vorhandener Federung und viel zu schwachen Bremsen, dazu in den offenen Fahrzeugen ohne Windschutzscheibe vollkommen schutzlos dem von den Rädern der Rivalen aufgewirbelten Staub sowie den nach hinten spritzenden Steinen ausgeliefert.

Marcel Renault, Camille Jenatzy, Vincenco Lancia, Felice Nazzaro, Christian Lautenschlager, Jules Goux, Carl Jörns, Francois Szisz, Georges Boillot, Alessandro Cagno, Louis Wagner, Victor Hémery, Dario Resta, Max Sailer, Otto Salzer  –   –  das waren die prominentesten Vertreter jener ersten Epoche des eng mit dem Fortschritt der Technik verbundenen Automobilrennsports.
Gut drei Wochen nach diesem Grand Prix erklärte Österreich-Ungarn an Serbien den Krieg, danach griffen innerhalb weniger Tage alle Bündnisvereinbarungen, ab August 1914 befanden sich die Mittelmächte Deutschland und Österreich-Ungarn
im Krieg gegen die Entente-Staaten Frankreich, Großbritannien und Russland  –   –   –  für mindestens 5 Jahre verstummten
in Europa die Rennmotoren  –   –
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1914 Epilog
1914 Rennen in the USA
1914 Autorennen in den USA
In Europa war Krieg, die Rennstrecken lagen still und verödet da  –  doch in den Vereinigten Staaten von Amerika gingen die Rennen weiter, ja sie erfreuten sich sogar einer wachsenden Beliebtheit. Amerikanische Fahrer hatten sich europäische Wagen zugelegt, auf Grund ihres hohen technischen Standards. So auch der Italo-Amerikaner Ralph de Palma, zuerst einen 1908, dann einen 1914 Grand-Prix-Sieger-Mercedes.
Ende 1914, als der Krieg schon begonnen hatte, hielt sich Dario Resta zufällig noch im Auftrag Sunbeams in den USA auf. Dort erhielt er vom amerikanischen Peugeot-Importeur Alphonse Kaufman das Angebot, seine Marke in der amerikanischen 1915er Rennsaison zu fahren. Auf Anhieb siegte Dario Resta bei den zwei prestigeträchtigsten Rennveranstaltungen: dem American Grand Prize und dem Vanderbilt Cup.
Das nächste Rennen, die berühmten 500 Meilen von Indianapolis, wurde wie eine Neuauflage des 1914 ACF Grand Prix
auf amerikanischem Boden: Mercedes (Ralph de Palma) gegen Peugeot (Dario Resta), das der Mercedes für sich entschied.
Das Erbe von 20 Jahren Entwicklung im automobilen Rennwagenbau, die fortschrittlichsten Rennwagen der Welt hatten den Atlantik überquert und Amerikas Motorsport einen großen Auftrieb gegeben. Nach dem Vanderbilt Cup, dem Großen Preis von Amerika, den 500 Meilen von Indianapolis und noch einigen weiteren Rennen galt der Peugeot vor dem Mercedes als der beste Rennwagen der Welt.

Die Bildmotive oben zeigen Rennen um die Elgin National Trophy, Illinois/USA:
links: 1912 Sieger Ralph de Palma auf 1908 Mercedes 135 PS Grand-Prix-Rennwagen mit einem Rundendurchschnitt von 112,7 km/h, Rekord;
die zwei weiteren: 1914 Sieger Ralph de Palma auf Mercedes 1914-Grand Prix-Rennwagen, Durchschnitt 73,53 km/h.
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