Walter Gotschke Bildarchiv
 
Die 2,5-Liter-Grand Prix Formel 1 1956 - 1957
1956
Der Automobilsport steht in der Kritik
Die Rennsaison 1956
Noch hatten sich in der breiten Öffentlichkeit die Wogen der Aufregung nicht gelegt, noch wurde weiterhin über Sinn und Unsinn von Autorennen diskutiert.
Was war passiert?
Als letztes Jahr der allseits beliebte zweifache Weltmeister Alberto Ascari in Monza bei einer inoffiziellen, privaten, ganz harmlosen Probefahrt mit einem Ferrari 750 Spyder tödlich verunglückte, und kurz darauf durch eine Verkettung unglücklicher Umstände beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans, ausgelöst durch den Zusammenstoß zweier Fahrzeuge, sechsundachtzig Zuschauer in den Tod gerissen wurden, ging ein Aufschrei durch die Presse. Ganz allgemein trat eine Schockreaktion ein, die den Motorsport lähmte. Zum Zeichen der Trauer ließen Deutschland und Italien 1955 ihre Großen Preise ausfallen. Die Schweiz legte gleich alle ihre Rundstrecken still, für immer –
Kaum eingestiegen, nahmen Daimler-Benz und Lancia diese »Autosport-Negativ-Werbung« zum Anlass, mit der Rennerei aufzuhören, obwohl beide sofort nach ihren Debüts recht erfolgreich gewesen waren.
Aber der Rennsport ließ sich nicht unterkriegen. Nach dem Rückzug von Mercedes-Benz wurden die Rennen von den italienischen Teams Ferrari und Maserati dominiert. Ferrari startete mit modifizierten Lancias, die sie übernommen hatten.
Die Konkurrenten
Der vierfache Weltmeister Fangio auf Ferrari-Lancia (22), der zum großen Meister gereifte Moss auf Maserati (36) und der in die Meistergruppe aufrückende Vanwall mit Harry Schell (16)
Ferrari-Lancia D50       Eugenio Castellotti, Manuel Fangio, Peter Collins, Luigi Musso, Alfredo de Portago
Aufgrund von Ascaris tödlichem Unfall 1955 und parallel aufgetretenen finanziellen Schwierigkeiten wurde der Lancia-Rennstall mit allen Konstruktionen an Ferrari übergeben. Diort wurden die drei, vom ehemaligen Alfa-Konstrukteur Vittorio Jano konzipierten, V8-Lancia D50 gründlich überholt, und hießen nun Ferrari-Lancia D50 oder kurt Ferrari D50. Es gab
eine Standardversion mit kurzer Nase und eine Variante mit einer langen, die einmalig beim Deutschland Grand Prix auf dem Nürburgring 1956 eingesetzt wurde.
Aber die Ferrari D50 waren nicht die erhofften überlegenen Wagen. Es zeigte sich, dass der Rückbau der Seitentanks ein Fehler war, auch das Handling war äußerst behäbig und die Zuverlässigkeit nur mittelmäßig.
Neben dem miterworbenen Eugenio Castellotti heuerte auch Manuel Fangio in Maranello an. Doch die Kombination Ferrari-Fangio war konfliktträchtig, da im Team mit Peter Collins, Alfonso de Portago und Luigi Musso eine Reihe junger Talente voranstürmte.
Maserati 250F      Stirling Moss, Jean Behra, Cesare Perdisa und Paco Godia
Gegen die Rennwagen von Mercedes-Benz hatten die Maseratis keine Chance. Jetzt holten sie auf, mit der neuen Version des 250F. Der 6-Zylinder-Motor war diagonal zur Längsachse eingebaut worden. Die Karosserie bestach durch ihre schöne lang-gezogenen Linie. Stirling Moss, war jetzt Werksfahrer bei Maserati,
Vanwall       Maurice Tringnant, Harry Schell
Guy Anthony Vandervell, schon seit seiner Jugend im Automobilrennsport aktiv, war mit neuartigen dünnwandigen Motor-lagerschalen, die den Motorenbau revolutionierten, und deren Lizenz er für ganz Europa erworben hatte, zum Multimillionär geworden. Als rennsportbegeisterter guter Brite war er auch an dem ehrgeizigen B.R.M.-Projekt beteiligt. Da dieses jedoch
mit erheblichen Anlaufproblemen kämpfte, hatte er beschlossen, ein eigenes Team zu gründen. Ab 1950 startete er mit seinen »Thinwall Specials«, leicht modifizierten alten Ferraris in english racing green, mit denen er kleine Erfolgre erzielen konnte.
Ab 1954 versuchte es Tony Vandervell mit einer Eigenkonstruktion, für den er selbst einen 2-Liter-Motor, auf Basis von vier Norton-Motorradmotoren, entworfenen hatte, dem »Vanwall Special«. Doch häufige Materialdefekte des Triebwerks verzögerten die Einsatzfähigkeit.
Für 1956 hatte Vanderveli für seinen Vierzylinder mit Bosch-Einspritzung ein neues Fahrwerk geschaffen, zu dessen Entwicklung der Konstrukteur Colin Chapman von Lotus hinzugezogen wurde. Die Karosserie schuf der Aerodynamik-Spezialist Frank Costin. Es sollte allerdings noch ein Jahr dauern, bis der ausgereifte Motor mit seinen 285 PS sich
als der Konkurrenz ebenbürtig erweisen konnte.
1956 Argentinien Grand Prix        Autôdromo Municipal Ciudad de Buenos Aires
Moss im Maserati 250F führt vor Teampartner Behra #4 und Fangio #34 in Mussos Lancia-Ferrari D50
Nachdem sich Mercedes-Benz nach der Saison 1955 aus der Formel 1 zurückgezogen hatte, waren beim Saisonauftakt nur italienische Wagen am Start. die beiden Werksteams Ferrari und Maserati und zwei private Maserati-Teams
In der ersten Hälfte des Rennens führte überraschend der Lokalmatador Carlos Menditéguy vorStirling Moss und Jean Behra – drei Maseratis vorn. Weltmeister Juan Manuel Fangio hatte zu Ferrari gewechselt. Für ihn war das Rennen allerdings ziemlich früh beendet, als sein D50 Probleme mit der Kraftstoffpumpe bekam. Musso wurde an die Box beordert, um seinen Wagen zu übergeben. In einer rasanten Aufholjagd arbeitete sich der Argentinier an die vorderen Plätze heran. Er überholte Behra, geriet ins Schleudern, drehte sich und landete neben der Strecke, Da steckte er fest. Streckenposten schoben ihn an. Hinter Behra setzte er das Rennen fort.
Bei Halbzeit fiel ein Fahrer nach dem anderen aus – auch Menditéguy, als seine Antriebswelle brach. Jetzt führte Moss im Maserati 250F vor Teampartner Behra #4 und Fangio #34 in Mussos Ferrari D50.
Aber Moss war der Sieg nicht vergönnt – weißer Rauch stieg aus seinem Motor auf – Behra und Fangio fuhren an ihm vorbei – neun Runden vor Schluss gab Moss auf. Vorne duellierten.sich Fangio und Behra sich um den Sieg, dabei drehte sich diesmal Behra und Fangio fuhr ungefährdet seinem Sieg entgegen, Behra erreichte noch den zweiten Platz. Alle weiteren Ankömmlinge waren mehrfach überrundet.
Nach dem Rennen legte Maserati einen offiziellen Protest ein und forderte eine Disqualifikation von Fangio wegen des Anschiebens Aber in der Heimat des Weltmeisters war das etwas ganz und gar Unmögliches. Er wurde von der FIA abgelehnt.
1956 Deutschland Grand Prix  Nürburgring       Die Lancia-Ferrari D50 in Front
Nach einem Jahr Pause fand am 05. August 1956 auf dem Nürburgring der Große Preis von Deutschland wieder.statt Es wurden spannende Kämpfe um die Weltmeisterschaft erwartet – Collins führte mit einem Punkt vor Fangio die Liste an, Behra lag drei Punkte zurück –
Von Rennbeginn an lagen die beiden Lancia-Ferrari-Fahrer Fangio und Collins rundenlang dicht hintereinander vor dem-
ganzen Feld. Gejagt von Moss auf Maserati fuhren sie abwechselnd eine Rekordrunde nach der anderen, während der Ring seine Opfer forderte: einen Maserati, einen Ferrari – Motorschaden; einen Gordini, den zweiten Maserati – lädierte Rad- aufhängung; zwei weitere Maseratis – defekte Lenkung, Ölverlust; den nächsten Ferrari – zwischen den Hecken abgestellt – –

Dann – nach der neunten Runde – helle Aufregung bei Start und Ziel: Fangio kam alleine vorbei! Im Schneckentempo rollte Collins an die Ferrari-Box. Von Kraftstoffdämpfen geblendet und dem Zusammen-bruch nahe, konnte er gerade noch aus seinem Wagen klettern – –
Bei Halbzeit führte Fangio mit dem einzigen noch im Rennen befindlichen Lancia-Ferrari. Doch die zwei hinter ihm liegenden Maseratis kamen bedrohlich schnell näher. Nach einem Boxensignal mit der Aufforderung »schneller&iaquo;, antwortete Fangio mühelos mit neuem Rundenrekord: 9:41,6! Das Feld zog sich auseinander – die wenigen Verbliebenen fuhren auf Durchhalten.
Als nach zweiundzwanzig Runden mit großen Abständen nacheinander Fangio – – Moss – – Behra die Ziellinie überquerten, waren außer ihnen nur noch zwei überrundete Maseratis in der Wertung. In der Fahrerwertung übernahm Fangio wieder die Führung und ging mit einem Vorsprung von acht Punkten auf Peter Collins und Jean Behra ins Saisonfinale.
1957
Nicht nur englische Rennkonstruktioonen, auch englische Rennfahrer drängten nach vorne.
Die Rennsaison 1957
Ferrari 801
Die verbesserten V8-Ferraris mit neuem Rohrrahmen wiesen keine Lancia-Kennzeichen mehr auf. Nachdem bei den ersten beiden WM-Rennen noch der D50 einsetzte betritt Ferrari den Rest der Saison mit dem neuen Tipo 801,.
Nachdem zu Jahresbeginn Eugenio Castellotti und Alfonso de Portago bei Unfällen starben und Cesare Perdisa, davon geschockt, den Rennsport aufgegeben hatte, engagierte Enzo Ferrari zu dem Italiener Luigi Musso die Engländer Mike Hawthorn und Peter Collins als Hauptfahrer. Verstärkt. wurde sein Team Maurice Trintignant und Graf Berghe von Trips,
die eigene Wagen erhielten.
Vanwall VW57
Die Vanwall des britischen Lagerschalenfabrikanten Tony Vandervell gingen 1957 das erste Mal in der Automobil-Welt- meisterschaft an den Start. Mit ihrer Mannschaft, den englischen Fahrern Stirling Moss, Tony Brooks und Stewart Lewis-Evans begannen sie vermehrt Erfolge auf den europäischen Rennstrecken einzufahren.
Maserati 250F
Die in den letzten Jahren schon sehr leistungsfähigen Maserati 250F, für die nach Colombos Abgang Ingenieur Giulio Alfieri verantwortlich zeichnete, waren gestrafft worden. Schlanker und niedriger präsentierten sie sich mit dem Franzosen Jean Behra, dem in Frankreich aufgewachsenen Amerikaner Harry Schell und dem ins Team gewechselten Argentinier Juan Manuel Fangio.
Für Maserati war es die letzte Rennsaison, das italienische Werk zog sich am Ende der Saison aus finanziellen Gründen aus der Formel 1 zurück – auch für Fangio, der sich seinen fünften Weltmeistertitel holte, war es die letzte.
Sonderseite
Maserati 250 F   1957 Monaco Grand Prix, Monte Carlo
Vor dem Hotel Mirabeau: Fangio (Maserati), Collins (Ferrari), Moss und Brooks (bede Vanwall)
Nachdem beim ersten Saisonrennen, dem Großen Preis von Argentinien, die italienischen Teams Ferrari und Maserati unter sich waren, wurden sie beim Monaco-Grand-Prix von einer Meute englischer Konstruktionen – B.R.M., Vanwall, Connaught und Cooper – herausgefordert. Nach einem spannenden Training, das am Ende drei völlig unterschiedlichen Grand Prix-Autos in der ersten Reihe sah – Maserati, Lancia-Ferrari und Vanwall mit Fangio, Collins und Moss – versprach das Rennen genauso spannend zu werden Doch es sollte ganz anders kommen.
Am Sonntag fegten heftige Regenstürme über Monaco hinweg und die Aussichten waren alles andere als rosig, aber als sich die Autos an der Startlinie versammelten, schien die Sonne von einem blauem Himmel und die Straße war trocken. Am Start gab es eine leichte Panik, als der Vanwall von Moss nicht anspringen wollte und im letzten Moment geschoben werden musste, doch als die Startflagge fiel, rasten sechzehn Autos in Richtung der Gaswerks-Haarnadel davon – –
Noch in der ersren Runde schoss Moss an Fangio und Collins vorbei, und als er die Haarnadel nahm blockierte er erfolgreich Collins und Fangio, die versuchten ihn von der Piste schubsen. In Runde zwei überholte Collins Fangio und lag dicht hinter Moss.
Unfall in der Schikane – Collins und Hawthorn (beide Ferrari) – Brooks (Vanwall) kommt durch
Doch dann begann die Katastophe.
Als die Autos gegen Ende der vierten Runde den Tunnel verließen, war Moss (Vanwall) nur wenige Meter vor Collins (Ferrari), während Fangio (Maserati) etwas zurück lag, gefolgt von Brooks (Vanwall) und Hawthorn (Ferrari), alle in einem verbissenen Kampf um die Vorherrschaft – – –
Unten in der Schikane verbremste sich Moss, touchierte mit seinem Vanwall die Streckenbegrenzung, wobei ihre Teile in
alle Richtungen flogen – blitzschnell sprang der Engländer aus seinem Wagen und rannte davon. Collins, der den Trümmern ausweichen wollte, geriet mit seinem Ferrari in die Barrikaden am Rand des Hafens – Fangio gelang es seinen Maserati unbeschädigt zwischen den beiden zerschmetterten Autos durchzulotsen. Brooks kam heran, bremste fast bis zum Stillstand. Als nächstes war Hawthorn am Tatort. Er erwischte das Hinterrad von Brooks Vanwall, wodurch das Vorderrad und die Bremstrommel seines Ferraris abgerissen wurden. Das Rad rollte in das Hafenbecken und der angeschlagene Ferrari rutschte in das Heck von Collins Vanwall.

Der Rest des Feldes kam gut durch die Lücke und auch Brooks war längst weitergefahren und machte Jagd auf Fangio.
Sieger Juan Manuel Fangio (Maserati 250F) vor Brooks (Vanwall)
Das Rennen war jetzt schon entschieden, es glich nun mehr einer Parade mit Fangio in Führung und Brooks fünf Sekunden hinter ihm. In der dreißigsten Runde begann Fangio das Feld zu überrunden – während Brooks etwas an Boden verlor.
Die weiteren siebzig Runden vergingen, eine nach der anderen, weder der Argentinier noch der Engländer machten einen Fehler und Fangio kam als Erster ins Ziel, um ein ziemlich langweiliges Rennen zu gewinnen, gefolgt von Brooks, der bewiesen hatte, dass der Vanwall einen Grand Prix in voller Länge überstehen kann.
1957 Frankreich Grand Prix, Rouen-les-Essarts      Sieger Weltmeister Fangio Maserati 250F
Nach einer sechswöchigen Rennpause, da die Grands Prix der Niederlande und Belgien wegen finanzieller Uneinigkeiten abge-sagt wurden, waren sie auf der neuen Piste von Rourn-les-Essarts in Frankreich wieder startbereit: der amtierende Weltmeister Juan Manuel Fangio sowie Jean Behra, Harry Schell und Carlos Menditéguy auf Maserati, die Stammfahrer Luigi Musso, Peter Collins, Mike Hawthorn und Maurice Trintignant auf Ferrari. Die drei britischen Teams Vanwall, B.R.M. und Cooper waren ebenfalls für den Frankreich-Grand Prix gemeldet.
Das Training wurde von Maserati dominiert, doch Fangio konnte seine Pole-Position nicht umsetzen und wurde von den Blitzstartern Musso und Behra überrumpelt. Aber in der vierten Runde war Fangio vorne, gab die Führung bis ins Ziel nicht mehr ab und gewann souverän vor einer ganzen Meute von Ferraris. Mit diesem Sieg im dritten Weltmeisterschaftslauf dieses Jahres – nach Argentinien und Monaco – hatte nun Fangio einen Vorsprung herausgeholt, der kaum mehr einzuholen war.
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Maserati 250 F versus Ferrari 801      1957 Deutschland Grand Prix, Nürburgring
1957 Anfang August zeigte sich die Hocheifel einmal von ihrer schönsten Seite.
Zum Großen Preis von Deutschland erwartete ein heißes Sommersonnenwochenende Rennteilnehmer und Rennbesucher. Die in den letzten Jahren schon sehr leistungsfähigen Maserati 250F waren gestrafft worden. Schlanker und niedriger präsentierten sie sich mit dem Franzosen Jean Behra, dem in Frankreich aufgewachsenen Amerikaner Harry Schell und dem o.ins Team gewechselten Argentinier Juan Manuel Fangio.
Die verbesserten V8-Ferraris mit neuem Rohrrahmen wiesen keine Lancia-Kennzeichen mehr auf. Sie wurden gefahren von den beiden Engländern Mike Hawthorn und Peter Collins und dem Italiener Luigi Musso.
Frühzeitig war die Mannschaft des britischen Lagerschalenfabrikanten Tony Vandervell mit den für die Grands Prix verpflichteten englischen Fahrern Stirling Moss, Tony Brooks und Stewart Lewis-Evans eingetroffen. Doch schon im Training zeigte sich, für die zahlreichen Bergauf- und Bergabkurven und –windungen reichten Aufhängung und Straßenlage der leichten Vanwall bei weitem nicht aus, so dass Rennleiter David Yorke Order gab, nicht auf Sieg, sondern auf Ankommen zu fahren.
Kein Gordini trat an. Der ständig steigende Kostendruck und die geringen Siegaussichten hatten Amédée Gordini bewogen, unter seine Blauen einen Schlußstrich zu ziehen.
Fangio auf Maserati 250F versus Hawthorn und Collins auf Ferrari 801
So waren die Roten wieder unter sich. Schon im Training legten die besten Ferrari- und Maserati-fahrer Rundenzeiten hin, die schneller waren als Fangios Vorjahresringrekord.Kaum senkte sich am Renntag die deutsche Flagge zum Start, schossen Hawthorn und Collins vor den Trainings-schnellsten Fangio und begannen gleich, sich gegenseitig die Führung streitig zu machen.
Eine Weile beobachtete der besonnene Argentinier im Maserati die beiden stürmischen Ferrarifahrer. Dann – bei passender Gelegenheit – drehte er auf, überholte nach dem zweiten Umgang Collins in der Südkehre und stürmte davon. In der Abwärts nach Adenau fing er anschließend Hawthorn ein und nun legte er eine niedrigere Rekordrunde nach der anderen hin, um sich abzusetzen. Die Ferrari mit ihren größeren Tanks und den harten Englebertreifen konnten die etwas über fünfhundert Grand Prix-Kilometer ohne Halt durchfahren, während die Maserati nachtanken und sicherheitshalber die griffigeren, aber weicheren Pirelli-Pneus ersetzen mussten.
Als es soweit war, bei Halbzeit, hatte Fangio einen Vorsprung von einunddreißig Sekunden herausgefahren. In der Maserati-Box jedoch erwartete ihn ein Chaos. Der Dienst war schlecht organisiert, die Monteure hantierten nervös. Der Argentinier sprang aus dem Auto, trocknete sich den Hals ab, trank etwas – hörte die beiden Ferraris vorbeifahren – putzte betont ruhig seine Brille – nach fast einer Minute Aufenthalt ging er wieder ins Rennen.
Inzwischen war Collins, trotz nachlassender Kupplung, neuen Rundenrekord gefahren und wieder jagten sich die beiden Engländer gegenseitig. Bis zur vierzehnten Runde lagen sie achtundvierzig Sekunden in Führung. Da befahl die Maserati-Box »voll aufdrehen«! Und der warm gewordene argentinische Meisterfahrer, der vierfache Weltmeister, der sechsundvierzigjährige Fangio preschte los! Bremste später vor den Kurven, durchfuhr sie rascher, gab früher Gas – sein Rückstand sank. Helles Entsetzen bei der Ferrari-Mannschaft
Wegen des großen Vorsprungs ihrer Wagen und der verhaltenen Fahrweise von Fangio, hatte sie ihren Piloten »gleichmäßig« signalisiert, um die Motoren zu schonen. Nun hieß es »schneller«! Hin- und hertanzend feuerte die Crew ihre Fahrer an. Hawthorn ging wieder an Collins vorbei. Doch Fangio holte auf – zwölf Sekunden in einem Umgang – fünf im nächsten. Der große Dunlop-Turm bei Start und Ziel sowie die Lautsprecher rund um die Strecke hielten die Zuschauer ständig auf dem Laufenden – – Die Spannung stieg. Alle begannen zu rechnen. Wetten auf den Sieg wurden abgeschlossen. Gewänne er jedes Mal 5,5 Sekunden, könnte es reichen – und tatsächlich! In jedem Umlauf holte er sechs bis acht Sekunden auf.
Die Teams verfolgten das Geschehen auf dem Ring mit wachsender Fassungslosigkeit, die Rennleitung mit immer größer werdenden Staunen – das Publikum war gänzlich aus dem Häuschen – – Drei Runden noch – von seiner Box bekam er genaue Zeichen – und wieder legte Fangio los! – 9:17,4! – Neuer Ringrekord! Eine für unmöglich gehaltene Zeit!
Juan Manuel Fangio auf Maserati 250F fährt seinem Sieg entgegen
Es ging in die 21. Runde. Aus der Südkehre heraus zog er am Zweiten, Collins, vorbei. Der aber konterte sofort. Die Zuschauer auf den Tribünen sprangen hoch – keiner wollte sich das Überholmanöver entgehen lassen! Ausgangs der Süd- kurve lag der Maserati nur noch fünfzig bis vierzig Meter hinter den beiden Ferraris.
Am Ende der Gegengeraden bremste Fangio Collins aus – zog in der Nordkurve innen an ihm vorbei – war zu schnell – rutschte quer durch die halbe Kurve – jeder dachte, jetzt ist es aus! – dann – am Rande der Kurve – fing er den Wagen ein – beschleunigte voll – und zog ihn heraus – Ein spürbares Aufatmen ging durch die Menge – – frenetischer Beifall brach los! Die Leute tanzten und schrieen, warfen ihre Hüte oder was sie sonst in den Händen hatten, in die Luft. Eine unerhörte Begeisterung erfüllte den ganzen Nürburgring.
Weiter vorne, unten am »Breidscheider Brückchen«, quetschte Fangio sich noch an Hawthorn vorbei – und als es in die letzte Runde ging, lag er bereits zweieinhalb Sekunden vor ihm. Die letzte Runde. Immer noch kämpften die Ferrari-Fahrer. Vergebens. Mit dreieinhalb Sekunden Vorsprung überfuhr der Held des Tages die Ziellinie.
Unbeschreiblicher Jubel empfing den Sieger, als er an die Boxen rollte. Fremde Menschen hoben ihn auf die Schultern und trugen ihn begeistert herum. Endlich erreichte er das Podium, wo Collins und Hawthorn ihn erwarteten. Wie verrückt vor Freude gratulierten sie ihm als wäre es ihr eigener Sieg. Wieder und wieder drückten sie ihm die Hand.
Sieger Juan Manuel Fangio auf Maserati 250F schleudert
Dieser dritte Sieg in Folge auf dem schweren Eifelkurs brachte auch Fangio die höchste Rennfahreranerkennung: das »Silberne Lorbeerblatt« mit dem Titel »Meister des Nürburgrings«.
1957 GP von Pescara, Italien      Musso (Ferrari 801) – Moss (Vanwall VW57) – Fangio (Maserati 250F)
Nachdem der belgische und niederländische Grand Prix abgesagt worden waren, nahm die FIA ausnahmsweise den Großen
Preis von Pescara in den Weltmeisterschaftskalender auf. Auf dem über 25 km langen und anspruchsvollen Kurs durch Pescara und umliegende Gemeinden hatten schon seit 1924 GP-Rennen stattgefunden. Die Streckenführung war allerdings alles andere
als sicher. Die lange Startgerade führte unmittelbar neben einer hohen Klippe zur Küste entlang. Im Falle eines Unfalles wäre der Fahrer hinabgestürzt und direkt im Mittelmeer gelandet. Auch der allgemeine Sicherheitsstandard war sehr gering.
Aus diesem Grund weigerte sich Enzo Ferrari, sein Team am Großen Preis von Pescara teilnehmen zu lassen. Er hatte in diesem Jahr schon Eugenio Castellotti und Alfonso de Portago durch tödliche Unfälle verloren. Außerdem liefen die Ermittlungen der italienischen Justiz wegen elf getöteter Personen durch einen Ferrari-Unfall beim Mille-Miglia-Rennen im Mai. Nur Luigi Musso, in der Fahrerwertung Zweitplatzierter und mit Ambitionen auf den Vizeweltmeisterschaftstitel, überzeugte Ferrari, ihm einen Wagen zur Verfügung zu stellen.
Maserati war mit vier Wagen vertreten und Vanwall mit drei, beide Marken mit ihrer üblichen Fahrerbesatzung. Zwei Cooper und eine Menge privaterTeams mit überwiegend Maserati 250F-Rennwagen rundeten das Feld ab.
Am Renntag war es sehr heiß, so dass der Start auf neun Uhr dreißig am Morgen vorverlegt wurde. Trotzdem gab es wegen
der starken Hitze viele Ausfälle, das halbe Feld war schon dezimiert als die zehnte Runde die Rennentscheidung brachte. Mussos Ferrari-Motor qualmte und hinterließ eine Ölspur auf der Fahrbahn, auf der Fangio ins Schleudern kam und in die Leitplanke einschlug. Das beschädigte Rad wurde in der Maserati-Box repariert und Fangio kam auf Position zwei auf die Strecke zurück
Inzwischen hatte sich Moss einen uneinholbaren Vorsprung aufgebaut und erzielte für Vanwall den zweiten Sieg in dieser Saison. Rechts und links neben ihm komplettierten die Maserati-Fahrer Fangio und Schell als zweiter und dritter das Siegerpodest.
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Wieder war der Vanwall nicht zu schlagen    1957 Italien Grand Prix, Monza
Monza, Start – die Engländer drängen nach vorne – Vanwall wieder nicht zu schlagen.
im Maserati   Fangio (#2, 250F),  Behra (#6, V12);
im Ferrari: 801   Hawthorn (#34),  Collins (#30),  Musso (#32);
im Vanwall VW57   Moss (#18),  Lewis-Evans (#20),  Brooks (#22)
Zum ersten Mal wurden die Steilkurven des Monza-Autodroms aus Sicherheitsgründen nicht genutzt. Es verblieb das Strecken-layout mit den langen Hochgeschwindigkeitsgeraden.
Alle drei Top-Teams – Maserati, Ferrari und Vanwall – waren vollständig mit ihrer Stamm-Mannschaft vertreten.
Und gleich nach dem Start zeigten die Vanwalls ihre schon im Training angekündigte Überlegenheit und setzten sich an die Spitze. Moss führte. Fangio im Maserati bot Paroli. Wenn ihm auch die Vanwalls auf den Geraden davon fuhren – in den
Kurven arbeitete er sich wieder an sie heran – bis es ihm gelang, für mehrere Runden die Führung an sich zu reißen. Doch
am Ende musste Fangio sich dem enormen Tempo von Moss beugen – wieder war der Vanwall nicht zu schlagen!
Der zweite Platz reichte dem Argentinier zu seinem fünftten Weltmeistertitel. Damit war Maserati ein letztes Mal am Start. Aus finanziellen Gründen zog sich das Werk nach der Saison aus der Formel 1 zurück. Im folgenden Jahr fuhr Fangio auf einem privaten Maserati 250F noch einige Grand-Prix-Rennen, mit wenig Erfolg. Eine neue junge Fahrergeneration auf neuen Maschinen stürmte voran – was sollte er da als fünffacher Weltmeister mit einem veraltetetem Auto hinterherfahren – und er gab seinen Rücktritt vom Motorsport bekannt.
Behras ohrenbetäubender, nur in diesem Rennen eingesetzter Maserati V12
Für Überraschung sorgte Behra, der sich mit dem neuen Maserati-Zwölzylinder in den ersten Runden mit Moss duellierte und in der vierten die Spitze übernahm, bis Fangio beide überholte.
Doch die Vanwalls waren schhneller. Alle drei Fahrer des Teams gingen an Fangio vorbei, mit Moss an der Spitze. Bei diesem schnellen Rennen hatten viele Maschinen mit technischen Problemen zu kämpfen und fielen zurück oder aus.
Bei Halbzeit erwischte es auch Behra, der seinen Zwölzylinder-Masrati wegen Überhitzung des Motors abstellen musste.
Moss profitierte von den Ausfällen der Konkurrenz und am Ende fuhr der Vanwall als Erster durchs Ziel. Ihm folgte mit einem Rückstand von über vierzig Sekunden Fangio auf Maserati – mit diesem zweiten Platz gewann der Argentinier zum fünftten Mal seinen Weltmeistertitel.
Juan Manuel Fangio zum fünften Mal Weltmeister

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Die 2,5-Liter-Grand Prix Formel 1 1956 - 1957

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